Pro bono oder Ausbeutung: Wo ziehe ich die Grenze?
Veröffentlicht am: 28.11.2017 | Geschrieben von: Sebastian Schütz
Annika Hallerberg, freie Grafikdesignerin aus Berlin, hat gerade ihr zweites youvo-Projekt für die Organisation CHILDREN abgeschlossen. Sebastian hat mit Annika u.a. darüber gesprochen, was für sie bei der Arbeit an Pro bono-Projekten wichtig ist.
Was kann gutes Design für soziale Initiativen bewirken?
Ein gutes Design besteht nicht nur aus einem ästhetischen Außenbild - es erklärt und strukturiert die Initiative oder das Unternehmen, welches es repräsentiert. Kleinen NGOs fehlt es oft gerade an dieser Struktur. Wenn ich als Teil meiner Arbeit bei Themen wie Selbstdefinition, Zielpublikum oder Position im Markt nachhake, kommt es schon mal dazu, dass diese Fragen zum ersten Mal gestellt werden. Ein gutes Design bringt soziale Initiativen demnach ein gutes Stück weiter in Sachen Professionalität und Wettbewerbsfähigkeit: Durch Design gut kommunizierte Inhalte sind ein großer Faktor für den Gewinn an Reichweite und Unterstützern.
Über youvo.org hast Du gerade Dein zweites Projekt für CHILDREN umgesetzt. Worum ging es in den beiden Projekten?
Im ersten Projekt ging es um das Aufsetzen einer Broschüre für das Gesamtprogramm der Organisation. Dafür habe ich in Anwendung der CI Farben und CI Schrift ein Layout definiert, die Seiten gestaltet und die Broschüre bis zum Druck begleitet.
Im zweiten Projekt habe ich die Kampagne 'Mach was draus' entwickelt, die Kinder und Jugendliche zur Bewerbung für Fördermittel animieren soll. Meine Arbeit umfasst das Kampagnenthema, die dazugehörigen Illustrationen sowie die Anfertigung von Postern und Flyern, die in einer Auflage von je 15.000 Exemplaren national an Schulen und Bildungseinrichtungen versandt wurden.
Was war für Dich das besondere an der Zusammenarbeit?
An der Arbeit mit CHILDREN e.V. habe ich besonders den persönlichen Kontakt geschätzt. Allen jeweiligen Ansprechpartnern war es sehr wichtig, mich persönlich zu sprechen, wichtige Inhalte telefonisch zu klären und insgesamt sicher zu gehen, dass auch ich zufrieden bin in der Zusammenarbeit. Das ist in dem Umfang nicht unbedingt üblich.
Was erwartest Du von einem Probono-Auftraggeber? Was ist Dir wichtig?
Für mich ist es sehr wichtig, dass ein Pro bono Auftraggeber eine realistische Einschätzung davon hat, wie viel Wert und Zeit ich als Kreative in meine (Pro bono) Arbeit investiere, und dies auch wertschätzen kann. Gleichzeitig sollte ein Auftraggeber einen guten Grund dafür haben, ein Projekt als unentgeltlich auszuschreiben. Etwa nicht zu bezahlen, da es genug hilflose Anwärter gibt oder um schlichtweg Geld zu sparen, um größere Profite zu erzielen, gehören für mich nicht dazu.
Ein Auftraggeber sollte einen guten Grund dafür haben, ein Projekt als unentgeltlich auszuschreiben.
In der Kreativbranche wird häufig kontrovers darüber diskutiert, für wen und welche Art von Projekt man unentgeltlich arbeiten sollte, für welche nicht. Wie schätzt Du das ein?
Letztendlich bleibt es jeder/jedem selbst überlassen zu entscheiden, welches unentgeltliche Projekt einen guten Trade Off darstellt. Da gibt es kein Regelwerk. Dazu gehört aber auch, für sich selbst einzustehen und frühzeitig das Gespräch zu suchen oder Projekte abzubrechen, wenn man sich ausgebeutet oder betrogen fühlt. Oder entsprechend zu reagieren, wenn man mit ansieht, wie andere ausgebeutet werden.
Aus persönlicher Erfahrung würde ich immer raten, auch bei Pro pono Projekten einen detaillierten Vertrag aufzusetzen, in dem alle Verantwortlichkeiten und Aufgabenbereiche definiert sind. Damit sichert man nicht nur ab, dass man weiterhin zufrieden zusammenarbeitet, sondern im Falle einer Vertragsverletzung eine solide Grundlage zum Ausstieg hat, und bei einer Verlängerung oder Erweiterung des Beschäftigungsverhältnisses eine rechtmäßige Vergütung fordern kann.
Gibt es Parameter nach denen Du entscheidest, ob Du ein Pro bono Projekt animmst oder nicht?
- Lerne ich etwas Neues?
- Wieviel Freiheit wird mir gegeben?
- Klingt das Projekt nach Spaß?
- Wer ist der Auftraggeber?
- Wofür steht er ein?
Warum engagierst Du Dich für soziale Projekte?
Mein erstes pro Bono Projekt habe ich angenommen, um an meinen eigenen Fähigkeiten zu arbeiten. Das Projekt gab mir die Möglichkeit, Neues auszuprobieren und selbstständig einen vollwertigen Auftrag zu betreuen, an den ich anders eventuell gar nicht gekommen wäre. In späteren Projekten habe ich vor allem wertgeschätzt, wie viel Freude und Stolz mir solche Projekte zurückgeben. Freude daran, mit Menschen in einem Team zu arbeiten, die engagiert sind, etwas verändern wollen und es zu schätzen wissen, wenn man sich Mühe gibt. Stolz darauf, mit meinem Handwerk aktiv dazu beizutragen, die Welt ein wenig fairer zu machen und Teil von etwas Größerem zu sein.
Ich habe Freude daran, mit Menschen in einem Team zu arbeiten, die engagiert sind, etwas verändern wollen und es zu schätzen wissen, wenn man sich Mühe gibt.
Welche Designdisziplin begeistert Dich am meisten und warum?
Mein momentaner Fokus liegt im Corporate Design und der Kampagnen- und Markenkommunikation, was unter Kommunikationsdesign fällt. Ich mag es, Projekte ganzheitlich (und damit auch strategisch) zu betreuen, von der Ideenfindung, der Planung bis zur Realisierung des Endprodukts. Kommunikationsdesign ermöglicht mir variabel zu arbeiten – je nach Projekt kann ich illustrieren, detaillierte Layouts und Style Guides anlegen, strategisch planen und haptisch Farben und Papiere inspizieren. Die Vielfalt an Möglichkeiten macht es zu einer so schönen Arbeit.
Wir danken Annika für das nette Gespräch und empfehlen einen Besuch ihrer Seite: annikaworks.de
Zur aktuellen Ausschreibung von CHILDREN findest Du hier.
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